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Geschwister in der Bibel - zwischen Zwist und Liebe

Bildquelle: gettyimages, Finn HafemannStreitende JugendlicheKonflikte unter Brüder gibt es seit Jahrtausenden

Seit vielen Monaten berichten die Medien über Schwierigkeiten zwischen den Brüdern aus dem  englischen Königshaus. Dabei kennen viele Familien Konflikte unter Geschwistern. Das war schon vor Jahrtausenden so – deshalb haben auch die biblischen Verfasser sich dem Thema gewidmet. Sie erzählen davon, dass Jakob und Esau ihren Konflikt nach vielen Jahren klären konnten. Aber nicht immer gab es ein Happy End.

Es geht gewaltig los. Gleich auf den ersten Seiten der Bibel erschlägt Kain seinen jüngeren Bruder Abel. Es ist aber auch vertrackt. Man hat dieselben Eltern. Man startet unter den scheinbar gleichen Voraussetzungen und hat doch so unterschiedlichen Erfolg. Kain betreibt Ackerbau, eine Zukunftstechnologie von damals, während sein kleiner Bruder einfach Schäfer ist. Doch Kain kann noch so innovativ sein. Allein Abels Opfer findet Gnade bei Gott. Anerkennung ist ein kostbarer Stoff unter Geschwistern und meist ungerecht verteilt. Der eine bekommt sie geschenkt. Der andere kann tun, was er will – er geht leer aus.

Ringen um Aufmerksamkeit

»Du bist ja nur neidisch«, sagt eine Mutter zu ihrem Dreijährigen, der vor Eifersucht platzt, weil sein neugeborenes Brüderchen für jedes Lallen gelobt wird. Stimmt, man kann auf die Schwester und den Bruder neidisch sein. Aber auch das ist ein Gefühl, das genauso verkraftet sein will wie Freude oder Zuneigung. 

Platz streitig machen

Zwillinge, ob ein- oder zweieiig, sind ein Fall für sich. Von Mutterleib an nie allein. Immer ist einer da, an dem man sich wahlweise reiben oder wärmen kann. Davon kann Esau ein Lied singen. Sein kleiner Zwillingsbruder Jakob war ihm schon von Geburt an auf den Fersen. So kam er auf die Welt: Er hielt mit seiner Hand die Ferse Esaus. Schon da wollte er seinen Platz einnehmen. Erwachsen geworden luchst Jakob ihm für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht ab und ergaunert sich den väterlichen Segen, der eigentlich für Esau bestimmt ist. Wenig brüderlich oder typisch Bruder – wie man's nimmt. 

Liebe - nicht immer gerecht verteilt

Gott scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil: Jakob kann noch so viel betrügen und lügen. Er ist Gottes Liebling. Für Esau bleibt der Hass im Herzen, von dem er selber spürt, wie er ihn bitter macht. Für Kinder in jeder Familie gibt es die beiden großen Unbekannten: die Liebe der Eltern, die unerklärlich, nicht immer gerecht den einen umhüllt und den anderen ausspart. Und die Liebe Gottes, der Segen, der auf einem Leben liegt.

Das Erbe - die materielle Form der Aufmerksamkeit

»Verstehen Sie sich gut mit Ihren Geschwistern oder haben Sie schon geerbt?« Das ist die bittere Realität bis heute. Es kommt nicht allein auf das an, was die Eltern an Vermögen unter ihre Kinder verteilen. Es geht auch um so etwas wie den Segen der Eltern, um die Aufmerksamkeit und Liebe, die sie ihren Kindern mitgeben. Wenn sich da einer zurückgesetzt fühlt, ist die Entzweiung unter den Geschwistern kaum zu überbrücken. Die Wut, der Neid und die Enttäuschung sitzen tief. 

Eigene Lebenswege

Umso erstaunlicher ist die Geschichte der Zwillingsbrüder Esau und Jakob. Fern voneinander bauen sie sich ihr Leben auf. Als gemachte Männer begegnen sie sich wieder. Jakob bietet Esau ganze Viehherden zur Wiedergutmachung. Doch der will von den Geschenken nichts wissen: »Ich habe genug, mein Bruder; behalte, was du hast.« Esau braucht nicht das, was sein Bruder hat. Mag sein, dass der ihm übel mitgespielt hat. Aber daran krallt sich sein Herz nicht. Esau weiß, womit sein Leben gesegnet ist. Das löst den Krampf, und beide weinen. Die zwei haben dann übrigens nicht zusammengelebt wie ein Herz und eine Seele. Esau will Jakob unbedingt begleiten. Doch Jakob lehnt ab. Dass der Bruder ihm verziehen hat, ist ihm genug. Vergebung darf man nicht überlasten. 

Beistand bei einem großen Vorhaben

Nach so viel Konflikt gönnt uns die Bibel zum Aufatmen ein Geschwister-Trio, das sich gegenseitig ergänzt. Mose ist der charismatische Typ, der die Herzen der Leute gewinnt. Nur leider ist er ungeschickt im Reden. Dafür springt ihm der eloquente Aaron bei. Er wird zum Sprachrohr seines Bruders, wenn es darum geht, mit dem Pharao über den Auszug der Israeliten aus Ägypten zu verhandeln. Mirjam, die dritte im Geschwisterbund, sorgt für die nötige Portion Begeisterung, die ein Großprojekt wie das Auswandern eines ganzen Volkes braucht. Als es einen Etappensieg zu feiern gibt, greift sie zur Pauke und stimmt das älteste Lied an, das in der Bibel überliefert ist: »Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.«

Unterschiedliche Auffassungen und Werte

Im Neuen Testament gibt es eine weitere Dreiecksgeschichte unter Geschwistern, die vom Unterschied, aber auch vom Zusammenhalt lebt: die Schwestern Maria und Marta und ihr Bruder Lazarus. Alle drei sind von Jesus begeistert. Der kommt zu Besuch. Marta rackert und tischt auf, damit der hohe Gast bestens umsorgt ist. Maria rührt keinen Finger. Sie sitzt Jesus zu Füßen, um keines seiner Worte zu verpassen. Marta beschwert sich bei Jesus. Doch der weist sie zurecht: »Marta, du hast viel Sorge. Aber Maria hat das gute Teil erwählt.« 

Marta macht sich Mühe, Maria macht die Ohren auf. Und Jesus gibt der Haltung derer, die sich anstrengungslos beschenken lässt, den Vorzug. Als Sinnbilder für die »Vita activa«, dem Tätig-Sein, und die »Vita contemplativa«, dem Sich-Besinnen, sind Maria und Marta in die Geschichte des Christentums eingegangen. Beide Spielarten gibt es in jedem. Oft nimmt man die Rolle ein, die noch frei ist. Je mehr der eine macht und tut, desto eher sucht der oder die andere den Gegenpol.

Die schäbig behandelte Marta erfährt übrigens später Gerechtigkeit. Als Lazarus, der Bruder der beiden, gestorben ist, spricht sie zu Jesus das Bekenntnis, das in den Evangelien sonst nur Petrus zugeschrieben wird: »Ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes.«

Seelenverwandtschaft und Solidarität

Jesus hat ein unkonventionelles Verständnis von Geschwisterlichkeit. Als er hört, dass seine Familie draußen auf ihn wartete, fragt er: »Wer ist meine Mutter und meine Brüder?« Schaut in die Runde und gibt die Antwort selbst: »Wer Gottes Willen tut, ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.« Harsche Worte. Das klingt nicht nach »Du sollst Vater und Mutter ehren«.

Jesus zeigt eine Verbindung, die über Blutsverwandtschaft hinausgeht. Sein Gebet »Vater unser im Himmel« verpflichtet zu solidarischer Geschwisterlichkeit. Alle Menschen werden Brüder – und Schwestern. Dahinter steht ein hohes Ideal, das die Familie stärkt und übersteigt. Menschen, die Kinder Gottes, gehören zusammen zu der einen bunten Familie Gottes.

[Martin Vorländer]

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Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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