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Der Adventskranz: eine Erfindung der Diakonie

Jonas Schramm

Ein gutes Dutzend Kinder steht in der Stube des kleinen reetgedeckten Fachwerkhauses aufgeregt unter einem hölzernen, wagenradgroßen Leuchter, der mit vier großen weißen und 19 kleineren roten Kerzen geschmückt ist. Die Hausmutter holt mit einem Span eine Flamme aus dem bollernden Herd und entzündet die erste Kerze. Im Hintergrund stimmt der Hausvater am Klavier sachte eine Melodie an: „O komm, o komm, du Morgenstern, lass uns dich schaun, unsern Herrn. Vertreib das Dunkel unsrer Nacht durch deines klaren Lichtes Pracht.“ So oder so ähnlich könnte es sich zugetragen haben, als vor ungefähr 165 Jahren im „Rauhen Haus“ in Hamburg der erste Adventskranz aufgehängt wurde.

Verwahrloste und verwaiste Kinder waren willkommen

Im Oktober 1833 hatte der evangelische Theologe Johann Wichern (1808–1881) gemeinsam mit seiner verwitweten Mutter und einer seiner Schwestern vor den Toren der Hansestadt ein kleines Bauernhaus für verwahrloste und verwaiste Kinder aus den Elendsvierteln der Stadt eingerichtet. Wichern verfolgte eine damals völlig neue pädagogische Idee: Seine „Zöglinge“ sollten nicht in einer der damals üblichen Erziehungskasernen aufwachsen, sondern in Familien von zehn bis zwölf Kindern (anfangs nur Buben) mit einem Betreuer groß werden, der für sie mehr eine Art großer Bruder sein sollte. Jede Familie sollte ihr eigenes Haus bewohnen. So entstanden in den Folgejahren immer mehr Häuser auf dem Gelände um das Rauhe Haus, 1838 wurde ein „Bethaus“ errichtet. 

Zeit der Vorfreude gestalten

Wie Wichern, der auch als Begründer der „Inneren Mission der Evangelischen Kirche“ – dem Vorläufer der heutigen Diakonie – gilt, auf die Idee des kerzengeschmückten Wagenrads kam, ist nicht überliefert. Erklärungsangebote dafür gibt es jedoch viele: Das lateinische Wort „adventus“ bedeutet eigentlich Ankunft. Die Römer bezeichneten den ersten offiziellen Besuch eines Herrschers oder die Thronbesteigung eines Kaisers als „adventus“. Für die Christen ist der Advent die Zeit der Vorfreude auf die Geburt Christi. Der erste Sonntag im Advent, der 1. Advent, ist zugleich der Beginn eines neuen Kirchenjahrs. Der 24. Dezember zählt – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz – noch zum Advent. Erst am Abend dieses Tages beginnt die eigentliche Weihnachtszeit. 

Licht und Hoffnung

Der Kranz war schon in der Antike – meist aus Lorbeer – ein Symbol des Sieges. Der Adventskranz kann so vielleicht auch als Symbol des Sieges der Christen über das Dunkle gesehen werden. Das Licht symbolisiert Hoffnung und die Abwehr des Bösen, da es die Dunkelheit vertreibt. Es liegt also nahe, dass Wichern in seinen sogenannten Kerzen-Andachten in der dunklen Winters- und Adventszeit ein wenig Licht ins Leben seiner Schützlinge bringen wollte. Der „Effekt“ eines kerzengeschmückten Adventskranzes lässt sich auch heute bei den Kindern noch an deren Augen ablesen.

Wie sah der Original-Adventskranz aus?

Wicherns Adventskranz hatte übrigens für jeden Tag der Adventszeit eine Kerze. Je nach Lage des Weihnachtsfests im Jahreskalender wechselte die Anzahl der Kerzen. Wichern sah vier große weiße Kerzen für die Adventssonntage vor, dazwischen 18 bis 24 kleine rote Kerzen für die Werktage bis einschließlich 24. Dezember. Der Kranz war mit weißen Bändern umwunden und mit Tannenzapfen besteckt. Ab 1851 wurde der Überlieferung nach im Rauhen Haus der Holzreif erstmals mit grünen Tannenzweigen als Zeichen für das Leben geschmückt. Von Norddeutschland setzte sich der Adventskranz nach und nach in der evangelischen Kirche durch und fand allmählich auch seinen Weg in die heimischen Wohnzimmer – allerdings wesentlich kleiner und nur noch mit vier Kerzen für die Sonntage – bestückt. In einer katholischen Kirche hing der Adventskranz zum ersten Mal im Jahr 1925, und zwar in Köln. In Österreich verbreitete sich der Brauch so richtig erst nach 1945.

Am Originalschauplatz

In der Stiftung Rauhes Haus (www.rauheshaus.de), einer der bekanntesten diakonischen Einrichtungen Deutschlands, wird die Tradition des wichernschen Adventkranzes nach wie vor gepflegt. Beim Adventsmarkt am Mittwoch vor dem ersten Advent kann man sogar dabei zusehen, wie er hergestellt wird.

Von Karin Tzschentke, Pressereferentin Diakonie Österreich

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frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
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