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„Der Tod muss ein Wiener sein …“

Pastoralkolleg erkundet Bestattungskultur in Wien

Richard LuhGruppe auf dem Friedhof, betrachtet eine Engels-StatueDer Biedermeierfriedhof St. Marx faszinierte die Pfarrerinnen und Pfarrer durch seinen ganz eigenen Charme.

Dr. Klaus-Volker Schütz, Propst für Rheinhessen, und Susanne Schmuck-Schätzel, Dekanin des Evangelischen Dekanats Alzey, hatten vom 4. bis 9. Mai 2015 zu einem Pastoralkolleg nach Wien eingeladen, um dort die vielfältigen Aspekte der europäischen Bestattungskultur zu studieren.

Bildergalerie

Gruppe vor der Kirche Gruppe besucht die Gruft Dr. Wittigo Keller erklärt

„Der Tod muss ein Wiener sein …“, sang bereits der Chansonier und Kabarettist Georg Kreisler – ein gebürtiger Wiener. Nicht nur Künstlern gilt Wien „als dem Tod seine Stadt“, in der die sprichwörtlich „schöne Leich“ mit besonderer Hingabe zur letzten Ruhe gebettet wird. „Die Veränderung einer Gesellschaft spiegelt sich auch darin, wie Menschen von ihren Verstorbenen Abschied nehmen. Wie an wenigen anderen Orten kann man sich in Wien damit auseinandersetzen“, sagt Dr. Klaus-Volker Schütz, Propst für Rheinhessen. Gemeinsam mit Susanne Schmuck-Schätzel, Dekanin des Evangelischen Dekanats Alzey, die sich schon im Rahmen eines Studien-Urlaubs mit der „anderen Seite des Todes“ beschäftigte, hatte er daher im Mai im Rahmen eines Pastoralkollegs zu Erkundungen in Wien eingeladen.

Die Bestattungskultur im Wandel

„Ich wollte mich diesem wichtigen Thema gern einmal annehmen, weil ich aus meiner Begleitung von Pfarrerinnen und Pfarrern weiß, wie sehr sich die Bestattungskultur in unseren Dörfern und Städten derzeit ändert. Vieles ist weggefallen, manches hat sich neu entwickelt. Und so haben wir immer wieder neu zu entscheiden, wie wir Menschen am besten begleiten“, berichtet Dr. Klaus-Volker Schütz. Beeindruckt hat ihn unter anderem die Tradition der „schönen Leich“, die in Wien entstanden ist  - eine Inszenierung des Todes, die, wie er findet, ihresgleichen sucht. Und die zugleich im harschen Kontrast steht zu den Vorgaben auf einem innerstädtischen deutschen Hauptfriedhof, auch in Mainz und Wiesbaden, wo eine Trauerfeier in der Regel innerhalb von nur etwa 20 Minuten „abgewickelt“ sein muss.

Viel zu erfahren - und zu „erlaufen“ - gab es daher während des fünftägigen Pastoralkollegs, mit Blick auf Traditionen, die Bestattungskultur der Gegenwart und mögliche Entwicklungen. Zu einigen besonderen Orten wurde die Gruppe von 20 Teilnehmenden geführt, begleitet von Kulturanthropologe Dr. Wittigo Keller - als Kurator des Bestattungsmuseums ein Kenner auf dem Gebiet. „In Wien muasst erst sterben, damit se di hochleben lassen. Oba dann lebst lang“, wusste schon Kabarettist Helmut Qualtinger, der auf dem Zentralfriedhof seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Viele Berühmtheiten sind dort in Ehrengräbern bestattet, ob Komponisten wie Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms, der Schauspieler Curd Jürgens oder Sänger Falco. „Funeraltourismus“, so der Fachbegriff für dorthin pilgernde Fans.

Wien hat Europas ersten interkonfessionellen Friedhof

„Der Zentralfriedhof ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel, er gibt auch ein vielseitiges Bild von den sozialen, kulturellen und historischen Bezugspunkten unserer Gesellschaft“, erklärt Dr. Klaus-Volker Schütz. Zudem ist er Europas erster interkonfessioneller Friedhof mit multikulturellen Begräbnisstätten. Seiner Eröffnung anno 1874 waren bewegte Kontroversen vorausgegangen, auch mit Blick auf die Abgrenzungen zwischen den Konfessionen. Das architektonische Herz des Friedhofs bildet die Luegerkirche, ein wahres Jugendstil-Juwel. 1911 eingeweiht, wird sie zu Ehren des in ihr beigesetzten Bürgermeisters Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche genannt. In der geometrischen Anordnung der umgebenden Alleen bildet sie das Zentrum. Neben Ehrengräbern bedeutender Persönlichkeiten trifft man dort zudem auf Denkmäler und Gemeinschaftsgräber, die an die Opfer historischer Ereignisse erinnern, von der Revolution 1848 bis zu Welt- und Bürgerkriegen im 20. Jahrhundert. Neben dem Blick auf mondäne Aufbahrungshallen konnte die Gruppe auch Sonderbegräbnisstätten erkunden, sei es Baby- oder Waldfriedhof, Anatomie, Tierfriedhof und den „Park der Ruhe und Kraft“.

Mumien in der Gruft 

Als stillster und unheimlichster der zugänglichen, dem Tode gewidmeten Orte Wiens gilt die Michaelergruft – die jedoch, wie Propst Schütz beschreibt, ein friedliches Bild vermittelt, speziell durch die Schlichtheit der Räume und das Fehlen individueller Auszeichnungen der Toten. Die Anfang des 13. Jahrhunderts entstandene Michaelerkirche war ursprünglich von einem Friedhof umgeben, der 1508 aufgehoben worden ist. Doch die Kirche selbst blieb eine begehrte Begräbnisstätte, vor allem für den Hofadel. Neben Einzelgrüften verschiedener Familien entstanden im 17. Jahrhundert die Herrengruft und die Pfarrgruft, in der Kaufleute, Handwerker und kleinere Hofbedienstete beigesetzt wurden. Neben barocken Metallsärgen trifft man auf offene Särge, aus denen mumifizierte Leichen den Besuchern entgegenblicken.

Als weltweit einzige Begräbnisstätte, die ausschließlich den Opfern eines Flusses vorbehalten ist, gilt der Friedhof der Namenlosen: Bis 1940 fanden Ermordete, Unfallopfer und Opfer ungeklärter Kriminalfälle hier ihre letzte Ruhe. Meist handelte es sich dabei um unbekannte Tote, die hier in der Donau angeschwemmt und bestattet wurden. Schlichte, schmiedeeiserne Kreuze, gelegentlich mit kleinen Hinweisschildern versehen, zieren diese Gräber.

Touristen pilgern zu prominenten Gräbern

Eine weitere Station bildete der Biedermeier-Friedhof St. Marx, der zu den bedeutendsten Friedhöfen der Welt zählt. Hunderte Persönlichkeiten - ob Künstler, Wissenschaftler, Politiker oder andere Prominente - fanden hier von 1784 bis 1878 ihre letzte Ruhe. Von tausenden Touristen besucht wird vor allem Mozarts Begräbnisstätte. Einst von Zerstörung bedroht, wird der Friedhof heute als Park gepflegt. „Mit seinem ganz eigenen, etwas verwilderten Charme ist er ein wahres Paradies für Melancholiker“, findet  Richard Luh. Für den Pfarrer aus Büttelborn-Worfelden ist er somit einer der schönsten Orte Wiens. Beeindruckt von viel Sehens- und Wissenswertem, hat er die Stationen der Reise für die Gruppe in Bildern dokumentiert und spricht ein großes Lob aus für die kompetente Organisation des anspruchsvollen und ansprechenden Programms durch Propst und Dekanin.

 

Hintergrund: Pastoralkolleg
„Pastoralkolleg bedeutet: Zeit der Gemeinschaft der Ordinierten, Gemeinschaft von Pfarrern und Pfarrerinnen für einige Tage“, erklärt Dr. Klaus-Volker Schütz. „Dies ist wichtig, weil die Kolleginnen und Kollegen auf ihren Stellen ja oft Einzelkämpfer sind. Da ist es gut, einmal in einer Gruppe mit Fachthemen unterwegs zu sein. Also sind die Pastoralkollegs freundliche Angebote der EKHN und jede/r Pfarrer/in kann sie, neben weiteren Bildungsangeboten, immer nach zehn Jahren wieder in Anspruch nehmen.“ Zum Pastoralkolleg gehöre es auch, dass der Propst dabei für Gespräche zur Verfügung steht, speziell im Hinblick auf persönliche und berufliche Fragen. Manche Pastoralkollegs haben eher kommunikativen, andere eher besinnlichen oder bildenden Charakter. Ein Aufenthalt in der Partnerkirche in Nordsulawesi, Indonesien, zum Thema „Evangelisch am anderen Ende der Welt“ 2014 zählt ebenso zum vielseitigen Angebot wie ein Exerzitienpastoralkolleg im Kloster Jakobsberg im Herbst oder ein Familienpastoralkolleg auf einem Bauernhof, wie es im nächsten Jahr angeboten wird.

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Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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