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Paul Gerhardt

Liedverse, die bis heute aktuell sind

Das Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ (EGG, Nr. 503) hat schon so mancher gesungen. Die Bedeutung des Dichters Paul Gerhardts spiegelt sich auch im Gesangbuch der EKHN wieder

27 von Paul Gerhardts Liedern stehen heute noch im Evangelischen Gesangbuch, sechs im katholischen „Gotteslob“. Gerhardt hat seine engere Heimat Kursachsen und Brandenburg nie verlassen. Seine Lieder aber werden heute in aller Welt gesungen.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.
(Evangelisches Gesangbuch 503, Vers 1)

Wir schreiben das Jahr 1648: Aus aller Herren Länder zieht Soldateska durch die deutschen Lande, plündert, brandschatzt, vergewaltigt und mordet. Millionen Menschen gehen elend zugrunde, aus Dörfern werden Ruinenlandschaften. Dreißig Jahre dauert das Grauen. Frieden gibt es erst, als das Land ausgeblutet und verwüstet ist und ganze Landstriche menschenleer sind. Noch für viele Jahre bleibt die Not. Und lange dauert es auch, bis die Menschen beginnen, zaghaft wieder Hoffnung zu schöpfen.

Das scheinbar harmlose und liebliche Sommerlied stammt aus eben jenem Jahr, als der große Krieg zu Ende geht. Dichter ist der noch unbekannte Berliner Theologe und Hauslehrer Paul Gerhardt, 41 Jahre alt, ohne Examen und mangels einer sicheren Existenz auch immer noch unverheiratet.

Bei genauerem Hinsehen ist das Lied keineswegs harmlos. Mit sicherem Gefühl für Sprache und Versmaß entfaltet Paul Gerhardt einen Bilderbogen der verschwenderischen Sommerfülle in der Natur als ein Gleichnis für die Güte Gottes, der seine Menschen nicht verlässt. Und alle Schönheit der Natur ist für ihn nur eine Vorstufe der Herrlichkeit, die den Glaubenden einst im Himmel erwartet. Ein Trostlied in schwerer Zeit, zu singen gegen alle Ängste und Hoffnungslosigkeiten.

Bereits ein Jahr vor Kriegsende sind in einem Berliner Gesangbuch die ersten 18 Lieder Gerhardts erschienen. Weitere folgen in kurzem Abstand, insgesamt 139 „Klassiker“ des Kirchenlieds. Auch nach 350 Jahren haben sie ihren bilderreichen, tröstenden Grundton nicht verloren.

Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.
(Evangelisches Gesangbuch 361, Vers 1)

Paul Gerhardt weiß aus eigener, schwerer Erfahrung, was er da den Christen zu singen empfiehlt. 1607 in Gräfenhainichen geboren, verliert er früh seine Eltern und ist bereits mit 14 Jahren Vollwaise. Gönner verhelfen ihm zum Besuch der Fürstenschule in Grimma und zum Theologie-Studium in Wittenberg. Einen richtigen Abschluss macht er nie – zu früh muss er wohl als Hauslehrer Geld für den Lebensunterhalt verdienen. 1642 zieht er nach Berlin. Die Schrecken des Dreißig-jährigen Krieges sind noch allgegenwärtig. Schwedische und kaiserliche Truppen haben Brandenburg drangsaliert, die Pest in Berlin hat ein Übriges getan.

Wir gehn dahin und wandern
von einem Jahr zum andern,
wir leben und gedeihen
vom alten bis zum neuen
durch so viel Angst und Plagen,
durch Zittern und durch Zagen,
durch Krieg und große Schrecken,
die alle Welt bedecken.
(Evangelisches Gesangbuch 58, Vers 2 und 3)

Erst 1651 erhält Paul Gerhardt, als Theologe und Liederdichter inzwischen weit bekannt, seine erste Pfarrstelle in Mittenwalde und kann 1655, mit 48 Jahren, endlich heiraten. Aber schon seine erste Tochter stirbt nach einem Jahr. 1657 kehrt er als Pfarrer an die Berliner Nikolaikirche zurück, aber auch dort nehmen die Schicksalsschläge kein Ende. Nur eines seiner fünf Kinder überlebt die ersten Monate. Paul Gerhardt kennt den furchtbaren Schmerz, ein geliebtes Kind zu verlieren. Auch seine Frau stirbt 1667 nach zwölf Jahren Ehe und der 61-jährige Witwer steht mit seinem einzigen, fünfeinhalbjährigen Sohn alleine da – und hat wegen theologischer Streitigkeiten auch noch seine Stelle verloren.

Ist Gott für mich, so trete
gleich alles wider mich;
sooft ich ruf und bete,
weicht alles hinter sich.
Hab ich das Haupt zum Freunde
und bin geliebt bei Gott,
was kann mir tun der Feinde
und Widersacher Rott?
(Evangelisches Gesangbuch 351, Vers 1)

Aus heutiger Sicht ist schwer zu verstehen, welchen Streit Paul Gerhardt als strenger Lutheraner in Berlin führt, der dann seine Amtsenthebung zur Folge hat. Zwei reformatorische Bewegungen, Lutheraner und Calvinisten, bekämpfen sich heftig und beim konfessionellen Abwatschen von der Kanzel ist auch Gerhardt nicht kleinlich. Der brandenburgische Kurfürst findet das zunehmend ärgerlich, denn beim wirtschaftlichen Aufschwung seines Landes helfen besonders Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, die Hugenotten. Und die sind calvinistischen Glaubens. Vergebens verlangt der Kurfürst in mehreren Edikten von den Lutheranern Zurückhaltung. Paul Gerhardt hält es für seine Pflicht, gegen die „Irrlehren“ zu Felde zu ziehen. Was kümmern ihn Politik und Wirtschaft? Aber der Kurfürst setzt sich durch. Gerhardt muss gehen.

Kreuz und Elende,
das nimmt ein Ende;
nach Meeresbrausen und Windessausen
leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht. Freude die Fülle und selige
Stille
wird mich erwarten
im himmlischen Garten;
dahin sind meine Gedanken gericht.
(Evangelisches Gesangbuch 449, Vers 12)

Die letzten acht Jahre verlebt Paul Gerhardt als Pfarrer in Lübben im Spreewald. Aber seine Schaffenskraft ist dahin und der Dienst wird ihm zunehmend schwer. Wohl bald nach seinem 69. Geburtstag im März 1676 setzt er sein Testament auf, dankt darin Gott für alles „an Leib und Seele“ empfangene Gute, bittet ihn um „eine fröhliche Abfahrt“ und freut sich „am lieben Jüngsten Tage“ auf die Begegnung mit dem Auferstandenen und allen seinen Lieben. Ein Jahr später stirbt er, nach Zeugenaussagen getröstet mit der eigenen Liedstrophe:

Kann uns doch kein Tod nicht töten,
sondern reißt unsern Geist
aus viel tausend Nöten,
schließt das Tor der bittern Leiden
und macht Bahn, da man kann
gehn zu Himmelsfreuden.
(Evangelisches Gesangbuch 370, Vers 8)

Paul Gerhardt, der Mann, dessen Gottvertrauen Krieg und Leid nicht zerstören konnten, liegt vermutlich in der Nähe des Altars der Lübbener Kirche begraben. Die Kirche trägt seinen Namen. Vor 100 Jahren wurde vor der Kirche ein Standbild errichtet. Aber was ist das schon gegen seine Lieder?

Du meine Seele, singe,
wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge
zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben
hier preisen auf der Erd;
ich will ihn herzlich loben,
solang ich leben werd.
(Evangelisches Gesangbuch 302, Vers 1)

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Zur Person

Paul Gerhardt wurde 1607 in Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt geboren, war seit dem Jahr 1657 Pfarrer an St. Nikolai in Berlin. In seinem Beruf erlebte er Höhen und Tiefen, so gab er 1667 sein Amt auf und wurde zwei Jahre später in Lübben als Archidiakon gewählt. In dem Spreewaldstädtchen starb er 1676.

Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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