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Novemberpogrome 1938

Der 9. November 1938 war ein Mittwoch. In München sind Adolf Hitler, sein Propagandaminister Joseph Goebbels und Nazi-Kämpfern der ersten Stunde versammelt, um an den Hitler-Putsch von 1923 zu erinnern und diesen heldenhaft zu feiern. Im Saal des Alten Rathauses am Münchner Marienplatz kommt man zu einem so genannten „Kameradschaftsabend“ zusammen. Gegen 22 Uhr trifft die Nachricht ein, dass der deutsche Diplomat (vom Rath) gestorben ist, auf den sechs Tage zuvor ein polnischer Jude (Herschel Grynszpan) in Paris ein Attentat verübt hat. Dies nimmt Goebbels zum Anlass, um in einer Hetzrede indirekt zum Pogrom gegen Juden aufzurufen. 

Die Parteimaschinerie der Nazis funktioniert sofort und mit mörderischer Präzision. Der Polizeipräsident von Frankfurt (Adolf Beckerle) ruft noch aus München in Frankfurt an und bestellt seine SA-Gruppe ein. Ab 3.00 Uhr am Morgen des 10. November wird der Pogrom vorbereitet: Lastwagen werden mit Benzinkanistern beladen und zu den Frankfurter Synagogen gefahren.

Die Synagogen brennen

Ab 5.00 Uhr früh werden die Synagogen aufgebrochen und in Brand gesteckt. Die Synagoge im Westend und die Synagoge am Börneplatz brennen. Die Feuerwehr steht dabei, aber schützt nur den „arischen Besitz“. Die Polizei ist da, aber sorgt nur für Ruhe und Ordnung, sprich dafür, dass die Verbrechen in mörderischer Ruhe und mit deutscher Ordnung begangen werden können. 

Gebäude der Offenbacher Synagoge steht noch

Auch in Offenbach wurde die Synagoge wurde angezündet. Durch verschiedene Umstände brannte sie aber nur wenig innen aus und der Brand wurde  gelöscht, so dass das Gebäude  nicht zerstört wurde, sondern erhalten blieb. Allerdings wurde der größte Teil der Bücherei mit etwa 2500 Bänden Judaica und wertvollen Dokumenten vernichtet. Das Gebäude ist das heutige Capitol. Nach dem Krieg erbaute die nur noch sehr kleine jüdische Gemeinde eine neue Synagoge direkt gegenüber. Es ist der erste Synagogenneubau nach dem Krieg in Hessen.

Deportation ins KZ währen der Novemberpogrome

Ab 6.00 Uhr früh werden Geschäfte und Wohnungen von Frankfurter Juden von SA, SS, Gestapo, Polizei, sogar von der Hitlerjugend überfallen. Männer und Frauen, Alte und Jugendliche werden verhaftet. Die verhafteten Männer werden in der Frankfurter Festhalle zusammengetrieben. Sie müssen Wertsachen, Uhren, Ringe, Geld, Pässe abgeben. Am Abend werden sie von der Festhalle zum Südbahnhof transportiert. Von dort fahren die Züge zu den Konzentrationslagern. In den Tagen der Novemberpogrome werden über 3.000 Juden aus Frankfurt nach Dachau und Buchenwald deportiert.

Die Shoa

Schon zuvor waren Juden in Deutschland entrechtet und diskriminiert worden. Seit den November-pogromen wurden sie systematisch verfolgt, bis hin zum Holocaust, zur Shoa, dem erklärten Ziel, alle Juden in Europa zu töten. 1933 lebten in Frankfurt fast 30.000 jüdische Bürger. 1944 hatten in Frankfurt 242 Juden überlebt. Die anderen waren im besseren Fall rechtzeitig geflohen. Die meisten waren deportiert und wurden ermordet.

Dem Grauen zugeschaut

Was tun die anderen Bürger, als ihr Staat für alle offensichtlich zum Verbrecher und Mörder wird? Tausende gaffen, wie die Synagogen brennen. Einer sagt, als die Straßenbahn an den zerstörten Geschäften vorbeifährt: „Da hat’s gescheppert.“ Ein Hitlerjunge schreibt in seinem Bericht: „Einem (Juden) haben wir den Bart und die Pajes (Schläfenlocken) abgeschnitten. Der sah hinterher wie eine Runkelrübe aus. Der war vielleicht komisch. Und geglotzt hat er wie ein Frosch.“ Viele schweigen und sprechen hinter vorgehaltener Hand von der „Reichskristallnacht“, als wäre nur Glas zu Bruch gegangen und nicht Menschen ermordet worden. Es gibt auch solche: Der Hauswart der Westendsynagoge, ein frommer Katholik, war von der SS halbtot geschlagen worden, weil er den Schlüssel zur Synagoge nicht hergeben wollte.

Das Verlesen der zehn Gebote richtet gegen den Terror nichts aus

Was tun die Kirchen und die Kirchengemeinden? In München, von wo der Pogrom seinen Ausgang genommen hat, tagt wenige Tage später die damalige Kirchenleitung. Man überlegt, ob die evangelische Kirche gegen die Gewalt protestieren soll, und entscheidet sich, lieber nichts zu sagen. In Nürnberg verliest die Pfarrerschaft in der Lorenzkirche im Gottesdienst die Zehn Gebote. Nur die Zehn Gebote. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

„Wir hätten zum Himmel schreien müssen“

Eine Frau hier aus Sachsenhausen, die damals ein junges Mädchen war mit engen jüdischen Freunden, sagt heute: „Wir hätten schreien müssen. Wir hätten zum Himmel schreien müssen, selbst wenn das nichts gebracht hätte.“

[Martin Vorländer, Anja Harzke]

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Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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