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Ungewollte Kinderlosigkeit als Herausforderung

AnnaRise/istockphoto.comPaarDie ernüchternden Nachrichten, das Auf und Ab der Gefühle verarbeiten

»Haben Sie Kinder?« – »Nein.« Damit ist der Gesprächsgang meist beendet. Die ‧Fragen bleiben ungestellt: An wem liegt es? Können die beiden nicht oder wollen sie sich ein leichtes Leben machen? Kinderlosigkeit ist ein Tabu. Die Bibel, ein Paar, eine Frau sowie ein Arzt aus einem Kinderwunschzentrum sprechen darüber.

Alle werden schwanger – nur ich nicht

Hanna isst nichts mehr. Sie hat alles versucht, aber sie wird nicht schwanger. Die Frauen in ihrer Umgebung bekommen ein Kind nach dem anderen. Hannas Körper ist wie verschlossen. An Liebe fehlt es ihr nicht. Ihr Mann trägt sie auf Händen. Aber er versteht sie nicht. »Hanna, warum weinst du und warum isst du nichts?«, fragt er. »Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Kinder?« Ihm zuliebe steht sie auf, isst, trinkt und tut einen Schwur: »Gott, wenn du mich nicht vergessen hast und mir einen Sohn schenkst, dann will ich ihn dir geben sein Leben lang.« (1. Samuel 1,11)

Es gibt keine Garantie auf ein Kind

Was die Bibel von Hanna und ihrem Mann Elkana erzählt, erleben Paare, die ungewollt kinderlos sind, auch heute. Birgit und Matthias Krüger* haben neun Jahre lang versucht, Eltern zu werden. Die beiden kennen sich seit Schulzeiten. Während des Studiums fanden es beide zu früh für Kinder. Dann steigen sie ins Berufsleben ein. Mit Anfang 30 ist Birgit die treibende Kraft: »Jetzt müssen wir uns aber mal ranhalten.« Sie wollten immer irgendwann eine Familie werden. Ihnen war bewusst, dass es dafür keine Garantie gibt. »Kinder sind ein Geschenk Gottes, eine Gabe des Lebens«, sagt Matthias. »Man hat weder das Recht noch die Pflicht, Kinder zu bekommen.« Er fügt hinzu: »Schon gar nicht gibt es ein Recht auf ein gesundes Kind.«

„Ich dachte: Wenn ich will, werde ich schwanger“

Beide verstehen ihre Liebe und Sexualität nicht zu dem Zweck, unbedingt ein Kind zu bekommen. »Es fehlte uns nicht zu unserem Glück. Aber ein Baby wäre willkommen gewesen.« Birgit Krüger ist überrascht, als es nicht klappt. »Ich bin mit zwei Geschwistern aufgewachsen. Meine Schwester hat fünf Kinder. Ich dachte: Wenn ich will, werde ich schwanger.« Als sie 38 ist, empfiehlt ihr der Gynäkologe eine Kinderwunschpraxis. Matthias richtet sich nach Birgit.

Im Wartezimmer einer Kinderwunschpraxis

Schon das Wartezimmer finden beide befremdlich. Man sieht die anderen und weiß, sie sind wegen desselben Themas da. Die Untersuchungen seines Spermiums und ihrer Eizellen ergeben: Eine Schwangerschaft ist nicht ausgeschlossen, aber nur mit einer Hormonbehandlung möglich. Das will Birgit nicht. »Dann kann ich nichts für Sie tun«, stellt die Ärztin nüchtern fest.

Besser als die Natur, aber keine Wunder

»Wir schenken den Paaren von Anfang an reinen Wein ein«, sagt Robert Emig, Arzt im »Kinderwunsch Zentrum« Mainz. Einige Patienten kämen mit übersteigerten Hoffnungen zu ihm, geschürt von Medienberichten über spektakuläre Fälle, bei denen Frauen auch noch im hohen Alter schwanger wurden. »Wir sind besser als die Natur. Wir bringen zusammen, was sonst schwer zusammenkäme«, meint Emig. »Aber wir vollbringen keine Wunder.«

Achterbahn der Gefühle

Das ist für manche schwer zu akzeptieren. »Wir fliegen doch zum Mond. Warum klappt es dann nicht, dass wir schwanger werden? Kinderkriegen ist doch das Normalste von der Welt«, bekommt Emig zu hören. Doch es lässt sich nicht immer erklären, warum es nicht funktioniert. Nicht jede Eizelle ist befruchtbar. Nicht jedes befruchtete Ei wächst. Und jeder Embryo ist ein eigenes Wesen. »Leben hat mit Unverfügbarkeit zu tun«, sagt Emig. Er bereitet darum die Paare von vorneherein auf die Achterbahn der Gefühle vor.

„Ich wollte das tote Es in mir nur noch draußen haben“

Die Krügers haben ihren Kinderwunsch schon fast beiseitegelegt, da wird sie mit 40 schwanger. Sie ist beim Bergsteigen und merkt: Es fühlt sich anders an. »Das hat mich sehr glücklich gemacht.« Ihr ist zwar schlecht, aber sie ist guter Hoffnung. Zwei Monate lang. Dann überfällt sie das Ergebnis des Ultraschalls. Der Embryo wächst nicht. Eine weitere Kontrolle bestätigt den Verdacht. Kein Herzschlag. Es bleibt nur, auf den natürlichen Abgang zu warten oder auszuschaben. »Es war wie ein Tod«, sagt Birgit. »Ich habe nicht von ›Kind‹ gesprochen. Ich wollte das tote Es in mir nur noch draußen haben.«

Sind Kinder dafür da, eine Beziehung glücklich zu machen?

Matthias ist an ihrer Seite. Ihr körperliches Gefühl erst des Glücks, dann der Trauer kann er verstehen. »Aber ich konnte es nicht wirklich fühlen.« Es gibt Paare, deren Liebe daran zerbricht. Birgit und Matthias Krüger sagen: »Uns verbindet es fast noch mehr, dass wir das miteinander geteilt haben.« Als Familie bezeichnen sie sich nicht. »Natürlich haben wir unsere Eltern, Geschwister, deren Kinder. Aber wir sind ein Paar.« Kinder sind nicht dazu da, eine Beziehung glücklich zu machen, finden beide nach wie vor. Sie haben unter das Thema einen Schlusspunkt gesetzt und wissen doch, dass es nicht abgeschlossen ist. »Wie wird es sein, keine Enkel zu haben? Wer steht einmal an unserem Grab?«

Das Tabu Kinderlosigkeit durchbrechen

Kinderlosigkeit ist oft ein Tabu. »Ich habe angefangen, furchtlos darüber zu sprechen«, erzählt Sophie Brecht. »Das befreit mich und andere. Plötzlich merkt man: Ich bin damit nicht allein.« Eine eigene Familie zu haben, war der größte Traum der 45-Jährigen. »Aber nie hatte ich den richtigen Mann zur richtigen Zeit.« Mit ihrem jetzigen Partner hat sie eine große Liebe gefunden. Er ist um einiges älter, hat erwachsene Kinder. Das gibt Freiheit: »Es ist in Ordnung, nicht nochmals Eltern zu werden.«

Bauchschmerzen und Kloß im Hals

Sophie Brecht hat lange gebraucht, um sich von ihrem Kinderwunsch zu verabschieden. Sie wollte keine verbitterte Frau werden. Irgendwann kam der Moment, ab dem sie sagen konnte: »Es ist OK. Und jetzt mache ich was draus!« Vom Kopf her hat sie das vielfach durchgearbeitet. »Manchmal sagt mir mein Körper: ›Schätzchen, so ganz sind wir da noch nicht durch!‹« Wenn bei einer Einladung viele Kinder da sind, melden sich der Kloß im Hals, Bauchschmerzen oder ein Stich im Rücken. »Ich habe mir angewöhnt, jede Art von Gefühl zuzulassen«, sagt Brecht. »Ich nehme wahr: Ah, das tut jetzt weh. Und gehe auf die Kinder zu.«
Sie will ihr Leben ohne Kinder nicht als Kompromiss begreifen. Manche sagen über ihre Arbeit: »Das ist mein Baby.« Den Ausdruck verwendet Sophie Brecht nicht. Aber sie sucht und entdeckt, »was mein Beitrag zum Kreislauf des Lebens ist«.

Segen bedeutet nicht ausschließlich Kindersegen

Ein Kind zu empfangen, beschreibt die Bibel als einen Moment größter Segensdichte. Es verbindet mit denen, die einen selbst gezeugt und geboren haben. Gott schenkt Fruchtbarkeit – oder verweigert sie. Die Menschen im Alten Testament erlebten Kinderlosigkeit als Gottverlassenheit und als Fluch, der konkret wird, wenn das Paar alt geworden ist ohne Nachkommen, die es versorgen. In den jüngeren Schriften des Alten Testaments setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Leben in Gerechtigkeit genauso gesegnet ist wie Kinderreichtum. »Besser ist's, keine Kinder zu haben, wenn man dabei in Tugend lebt; denn sie wird bei Gott und den Menschen anerkannt«, weiß das Buch der Weisheit (4,1).
Segen bedeutet nicht ausschließlich Kindersegen. Jesus lässt die Kinder zu sich kommen und preist zugleich selig, die barmherzig sind, die Gerechtigkeit und Frieden suchen. »Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen«, sagt Jesus zu allen. Ob mit Kind oder ohne.

[Pfarrer Martin Vorländer]

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Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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