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Kirchenaustritte

Austritte: Alte Erkenntnisse und neue Auswege?

© Tobias Frick / fundus-medien.deMeditationDie spirituellen Angebote des Kirchenladens werden gut angenommen (Symbolbild)

Laut Meinungsumfragen hat jedes vierte Kirchenmitglied im vergangenen Jahr über einen Austritt aus der Kirche nachgedacht. Erste Zahlen belegen, dass die Austritte im vergangenen Jahr stark zugenommen haben. Wie damit in der Kirche umgehen?

Nicht erst die Veröffentlichung der evangelischen Mitgliedschaftsstatistik Anfang März 2023 hat zu einem großen Stirnrunzeln in der Kirche geführt. Die Zahlen zeigten eine Abnahme der Mitglieder durch Todesfälle und Austritte wie selten zuvor. Dass den Menschen eine Mitgliedschaft in der Kirche immer weniger bedeutet - darauf wies Ende vergangenen Jahres bereits die Bertelsmann-Stiftung in einer groß angelegten Untersuchung hin. Sie veröffentlichte den neuen Religionsmonitor für das Jahr 2023. In ihm wird deutlich, dass die Bindung der Menschen in Deutschland an die Kirchen weiter abnimmt. Und das teils dramatisch. Laut Religionsmonitor hat jedes vierte Kirchenmitglied im vergangenen Jahr über einen Austritt nachgedacht. Bei den 16- bis 24-Jährigen zeigen sich sogar 41 Prozent entschlossen, die Kirche zu verlassen, unter den 25- bis 39-Jährigen sind es 35 Prozent. 

Glaube ohne Kirche?

Laut Religionsmonitor gehen nur etwa 17 Prozent mindestens einmal im Monat zum Gottesdienst – eine genau so große Gruppe der Kirchenmitglieder geht aber auch gar nicht in die Kirche. Nur 38 Prozent der Befragten gab an, ziemlich stark an Gott zu glauben. Jede vierte Person in Deutschland glaubt nicht an Gott. Vor zehn Jahren war es noch fast die Hälfte der Deutschen. Die Abwendung von den Kirchen bedeutet aber nicht unbedingt zugleich eine Abwendung von Religion generell: 92 Prozent derer, die austreten wollen, stimmen der Aussage zu, dass "man auch ohne Kirche Christ sein" könne.

Neue Austritts-Prognosen 

Zugleich belegen Zahlen aus Stadtverwaltungen, dass die Austritte in diesem Jahr auch in der Praxis zugenommen haben. So vermelden etwa Frankfurt, Wiesbaden und Mainz, dass bereits im November die Vorjahreszahlen an Austritten überschritten wurden. Auch erste Hochrechnungen der evangelischen Kirchen und Bistümer zeigen: der Austrittstrend nimmt weiter zu. In Hessen-Nassau wird ersten Prognosen zufolge im Jahr 2022 mit 30.000 Austritten gerechnet. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 24.000.  

Alte Erkenntnisse im neuen Gewand

„Es scheint jetzt voll durchzuschlagen, was Studien seit Jahrzehnten voraussagen. Gleichzeitig nutzen Menschen angesichts der Preisexplosion den Kirchenaustritt zunehmend als Sparmodell, wie wir aus Schreiben wissen, bei denen sich Menschen für den Austritt entschuldigen", kommentiert der hessen-nassauische Pressesprecher Volker Rahn die aktuelle Lage. Zugleich sagt er zu den Ergebnissen der Bertelsmann-Stiftung, dass sie nicht neu seien, sondern, „bekannte, leider ernüchternde Erkenntnisse in neuem Gewandt sind“. Bereits die evangelischen Mitgliedschaftsuntersuchungen der zurückliegenden Jahrzehnte sowie eine ökumenische Austritts-Umfrage vom Frühjahr hätten eine „massive Entfremdung und zunehmende Distanzierung“ zur Kirche sowie einen „erschreckenden Traditionsabbruch“ gezeigt, so Rahn. 

Gegensteuern in Hessen-Nassau

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) steuere beispielsweise mit regelmäßigen Schreiben an alle evangelischen Haushalte, der Impulspost, gegen. Zudem sei Hessen-Nassau die einzige evangelische Kirche in Deutschland, die mit großen Jugendkirchentagen gegen den Traditionsabbruch kämpfe. Ein in Planung befindlicher neuer Internetauftritt, solle sich zudem „viel stärker nach dem richten,  was Menschen an Hilfe, Orientierung und Spiritualität heute brauchen“, sagt Rahn. Zudem sei es gut, dass die hessen-nassauische Kirche der „harten soziologischen Wirklichkeit und ernüchternden statistischen Wahrheit“ mit dem Reformprozess „ekhn2030“ seit drei Jahren entgegentrete.  

Kirchenbauten und viele kirchliche Angebote sind gefragt

Dass viele Menschen weiterhin auch ein hohes Bedürfnis nach Spiritualität haben, sieht Annette Majewski nahezu täglich mit eigenen Augen. Die Pfarrerin für Stadtkirchenarbeit in Wiesbaden erlebt: „Hunderte Menschen besuchen die offene Marktkirche, um Stille zu finden, in sich zu gehen.“ Sie gehört zum Team des Kirchenladens „Schwalbe 6“ in Wiesbaden, zu dem auch eine Eintrittsstelle gehört. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Angebote wie Oasentage, Pilgerwanderungen oder Hilfsprojekte für Kinder. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten sich bisher nicht darüber geäußert, dass sie unzufrieden mit der Kirche seien – ganz im Gegenteil: „Eine Frau, die sich länger an einem unserer Projekte beteiligt hat, ist wieder in die Kirche eingetreten.“

Geld als ein entscheidender Grund

Pfarrerin Majewski vertritt die Auffassung, dass die Kirche deutlicher machen müsse, „dass all die schönen Kirchen, Chöre, Konzerte, Jugendgruppen nur existieren können, weil sie durch die Kirchensteuer finanziell von den Mitgliedern getragen werden.“ Sie sucht auch das Gespräch mit anderen Menschen außerhalb der Kirche. Dabei hört sie immer wieder einen Austrittsgrund: „Viele müssen finanziell den Gürtel enger schnallen. Einige erzählen, dass sie dann vom Steuerberater den Tipp erhalten, aus der Kirche auszutreten.“
Dabei sieht die Regelung so aus: Die echte Belastung durch die Kirchensteuer ist aber meist um 20 bis 48 Prozent geringer, weil sie bei der Einkommensteuererklärung als Sonderausgabe geltend gemacht werden kann. Das verringert die zu zahlende Einkommensteuer. Wer keine Lohn- oder Einkommensteuer entrichtet, bezahlt auch meist keine Kirchensteuer. Dies trifft in der Regel auf Personen zu, die keinen oder nur einen geringen Verdienst haben.

Wertschätzung für einzelne kirchliche Projekte bei abnehmender Bindung an Kirche

Dennoch nimmt auch Annette Majewski wahr, dass sich Menschen nicht mehr längerfristig an Vereine oder Institutionen binden wollen. Durch Gespräche erfährt sie: „Die Identifikation mit der Kirche ist nicht besonders stark, sondern eher mit konkreten Projekten.“ Gerade erlebt sie großen Zuspruch für die Christbaum-Aktion an der Marktkirche, die bedürftigen Kindern zugutekommt: Kinder aus sozialen Brennpunkten hängen ihre Wünsche an den Baum und vorbeikommende Passanten können sie erfüllen. Wenn sie die Geschenke dann im Kirchenladen abgeben, erlebt sie die Wertschätzung für diese Aktion. Trotzdem bemerkt sie, dass vor allem während und nach der Pandemie die Eintritte in die Kirche zurückgegangen sind: „Waren es früher rund 60 neue Eintritte pro Jahr, waren es bisher in diesem Jahr Zwölf.“

Als Kirchengemeinde Kontakt zu Ausgetretenen aufnehmen

Dennoch geben ihr die Wiedereintrittsgespräche wertvolle Hinweise, denn diese Menschen hatten sich vor mehreren Jahren zunächst entschlossen, aus der Kirche auszutreten. Dabei wird deutlich, wie wichtig es ist, dass evangelische Kirchengemeinden den Kontakt zu den Ausgetretenen aufnehmen, nachdem sie die Liste über das Meldewesen erhalten haben. „Viele bestätigen, dass das Gespräch mit der oder dem Pfarrer:in nach einem Austritt nachwirkt. Denn dabei wird signalisiert: Du bist uns wichtig.“ Umgekehrt nehme sie große Enttäuschung wahr, wenn keinerlei Reaktion von Seiten der Kirche erfolgt sei. Sie ermutigt Kirchengemeinden, das Gespräch aufzunehmen: „Zuhören ist ganz wichtig. Dabei lässt sich mehr über die Gründe erfahren, vielleicht tauchen auch neue Perspektiven im Gespräch auf.“ Von intensiven Nachhaken oder Druck rät sie ab.

Kirche der Zukunft

Große Chancen für die Mitgliederbindung sieht sie in den Übergangsritualen des Lebens. „Hier sollte die Kirche flexiblere Angebote machen: ein neu geborenes Kind segnen, eine Candle-Light-Trauung, Segensangebote im Alltag. Ich sehe, wie viele Mut machende Worte im Kirchenladen mitgenommen werden – gerade Segensrituale in Lebensübergangen werden sehr gewünscht.“

ekhn2030

Diese Ideen dürften auch zum Reformprojekt „ekhn2030“ passen, denn hier möchte die EKHN die Lebenswelt Jüngerer und junger Erwachsener besonders in den Blick nehmen. Die hessen-nassauische Kirche hatte angesichts des gesellschaftlichen Wandels den umfassenden Reformprozess „ekhn2030“ eingeleitet. Ziel ist es, in Zukunft noch erkennbarer mitglieder- und gemeinwesenorientiert zu arbeiten. Derzeit ist dafür unter anderem ein spezielles Projekt in Planung, das es Gemeinden vor Ort noch leichter machen soll, ihre Mitglieder mit den Angeboten zu erreichen, die sie aktuell brauchen. Und dort sind auch die Maßnahmen angesiedelt, von denen Pressesprecher Rahn berichtet: Den Jugendkirchentag für über 3.500 Teilnehmende und die Impulspost an die EKHN-Mitglieder, die regelmäßig fast eine Million Mal verschickt wird. 

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