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Dschungelcamp

Religionspädagogik-Direktor fordert ethische Maßstäbe für Dschungelcamp

istockphoto, Chris RyanMädchen schauen FernsehenDas "Dschungelcamp" übt auf Jugendliche eine besondere Faszination aus; dabei ist Selbstinszenierung für viele ein wichtiges Thema

„Krasse“ Prüfungen werden in der neuen Staffel des Dschungelcamps zu sehen sein, das kündigt RTL an. Wie wirkt sich die Sendung auf Jugendliche aus? Dazu äußert sich Religionspädagogik-Chef Uwe Martini und stellt eine Forderung an die Verantwortlichen.

Esther StoschVogelspinne und SchlangeVogelspinne und Schlange - bei lebenden Tieren steigt der Gruselfaktor weiter an. Wann verletzen Dschungel-Prüfungen die menschliche Würde?

Sie sorgt in Deutschland für Zündstoff: Die Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ Das Dschungelcamp startet am Freitag, den 13. Auch viele Konfirmandinnen und Konfirmanden kennen die Sendung. Vor allem auf Konfi-Freizeiten erlebt Pfarrer Uwe Martini unmittelbar, wie sich die Sendung auf die Jugendlichen auswirkt und was sie daran fasziniert. Uwe Martini ist Direktor des Religionspädagogischen Institutes der EKKW und EKHN in Marburg und hat einen Wunsch an die Sendungs-Verantwortlichen und Eltern. Wiebke Hess aus der Multimedia-Redaktion hat mit dem Pfarrer gesprochen.

Interview:

Haben Sie das Dschungelcamp schon einmal gesehen?

Uwe Martini: Ja. Es gefällt mir aber nicht.

Wieso gefällt es Ihnen nicht?

Uwe Martini: Die Sendung wirkt durch Erniedrigung von Menschen und es wird dort ein gewisser Voyeurismus praktiziert. Das richtet sich gegen das, was Menschenwürde ausmacht.

Das scheint die Zuschauer wenig zu stören, die Einschaltquoten sind hoch. Was reizt Menschen und insbesondere Jugendliche dabei zuzusehen?

Uwe Martini: Das ist sehr schwer zu fassen. Wir haben auf der einen Seite unsere Erwachsenenperspektive. Sie besagt, dass es im Dschungelcamp ganz stark um Entwürdigung, Erniedrigung und Voyeurismus geht. Und wir fürchten um die Auswirkungen auf Denken und Handeln der Jugendlichen. Das ist eine ganz ähnliche Debatte, wie wenn es z.B. um Ballerspiele geht. In der Regel sind solche Debatten aber fruchtlos. Auf der anderen Seite haben wir die Perspektive der Jugendlichen selbst. Sie teilen eine ganz besondere Faszination. Hier geht es um  Selbstinszenierung der Dschungelcamp-Teilnehmer. Und daran nehmen die Jugendlichen gedanklich als Konsumenten solcher Reality-Shows teil. Selbstinszenierung ist für Jugendliche enorm  wichtig. Das machen sie permanent: Wie stelle ich mich so dar, dass andere mich gut finden und wertschätzen?‘ Oder: ‚Wie erlange ich im Freundeskreis gewisses Ansehen, einen gewissen Rang?‘ Wie möchte ich, dass andere mich sehen? Die Bewertung von anderen Jugendlichen hat eine hohe Relevanz. Das Verhalten vieler Jugendlicher richtet sich nicht mehr nach den Kategorien falsch oder richtig, gut oder schlecht, sondern: Wie wirkt es auf andere? Ein dazu passender Trend, den wir aus den letzten Jahren beobachten können, sind übrigens die Selfies und das Verschicken der Selfies über Whatsapp, Instagramm und Co.. 

Genau das passiert auch in Reality-Shows, wie dem Dschungelcamp. Es wird im Vorfeld schon geschaut, welcher Kandidat welche Rolle übernimmt. Wer ist dieses Mal die Diva? Wer der Ekel-Typ? Nichts anderes als Selbstinszenierungsprozesse. Das ist es, was Jugendliche interessiert. Es fasziniert sie, wenn sie solche Prozesse beobachten können und sich selbst damit in Beziehung setzen können.

16 Tage lang schauen viele den Teilnehmenden dabei zu, wie sie entweder hungern, in Schafshoden beißen oder sich im Camp verbal die Augen auskratzen. Ein Beispiel: 2015 war das Model Sara Kulka Kandidatin der Show und wurde von den Zuschauern für fast jede Dschungelprüfung gewählt, weil sie jedes Mal daran scheiterte. Irgendwann hat sie sich dann selbst als „Opfer der Nation“ bezeichnet.
Was macht das mit Jugendlichen?

Uwe Martini: Wenn man es ganz ungeschminkt betrachtet, lernen die Jugendlichen in diesen Shows, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Sie lernen, dass es offensichtlich in unserer Gesellschaft Menschen gibt, die für Geld fast alles tun. Geld ist der höchste Wert. Das bedaure ich als Christ und das bedaure ich als Vertreter der Kirche, die andere Werte vertritt. Aber ich glaube, dass unsere Gesellschaft von einer solchen Einstellung durchdrungen ist. Und das ist beim Dschungelcamp auf die Spitze getrieben worden. Sie lernen, dass es dieses Verhalten in unserer Gesellschaft gibt und dass dieses Verhalten nicht bestraft wird. Sondern es wird akzeptiert und ist zumindest auch für das Fernsehen sendefähig.

Welche Werte vertritt demgegenüber die Kirche?

Uwe Martini: Liebe Gott und deinen Nächsten, wie dich selbst. Das beinhaltet die Wertschätzung jedes einzelnen Menschen, das beinhaltet die Freiheit und die Selbstgestaltung, die Eigenverantwortlichkeit, die ich als Mensch für mein Leben habe. Das beinhaltet die Fürsorge, die ich anderen, gerade den Schwachen und den Opfern dieser Gesllschaft entgegenbringe. Und es geht auch darum, dass ich in meiner Person akzeptiert und geliebt werde. Solche Werte kommen im Dschungelcamp nicht vor. 

Die Jugendlichen wissen das auch. Sie wissen, wofür unsere Kirche steht. Aber Sie können mit Jugendlichen nicht ins Gespräch kommen, indem sie das Dschungelcamp als entwürdigend brandmarken. Das wissen sie ja schon. Es stört sie nur nicht. 

Wie begegnen Sie in Ihrer Berufspraxis den Jugendlichen im Gespräch über christliche Werte?

Uwe Martini: Im Fokus der Show Dschungelcamp erleben die Jugendlichen, wie wertefrei unsere Gesellschaft menschliche Beziehung strukturiert. Das kann man mit den Jugendlichen besprechen an Hand der einzelnen Inszenierungen. Warum gibt sich diese Person genau auf dieses Art und Weise? Was bezweckt sie damit? Was hat das für Folgen für andere und für die Gruppe? Und schon können Sie ein Rollenspiel daraus machen. Außerdem halte ich es für ganz wichtig, dass die Jugendlichen diese vermeintliche Realität der Reality Serien hinterfragen. Konfi-Freizeiten geben dafür beispielsweise Raum und Zeit. Es ist wichtig, mit den Jugendlichen zu fragen: Soll durch die Sendung etwas Bestimmtes hervorgerufen werden, sollen bestimmte Produkte verkauft werden oder sollen bestimmte Verhaltensweisen provoziert werden? Es lohnt sich, den Jugendlichen dann begreiflich zu machen, dass das, was sie vorgesetzt bekommen, ein  Medienprodukt ist und nicht die Wirklichkeit. Dass beispielsweise allein schon in der Auswahl der Teilnehmenden manipuliert wird: In den Spots, in denen die Kandidaten dem Publikum präsentiert werden, etc.. Wenn die Jugendlichen erkennen, dass sie es hier nicht mit Wahrheit und Wirklichkeit, sondern mit einem inszenierten Fernseh-Medien-Produkt zu tun haben, ist viel erreicht.

Welche Erfahrungen haben Sie dabei selbst gemacht? Wird ein solches Gespräch von den Jugendlichen überhaupt ernst genommen?

Uwe Martini: Wenn ich sie dabei ernst nehme, dann ja. Suchen Sie nach Anknüpfungspunkten im Alltag der Jugendlichen. Passend zum Beispiel „Opfer der Nation“ könnte man fragen: „Kennt Ihr denn Leute, die sich auch als Opfer inszenieren, die aber gar keine sind? Im Gegensatz zu echten Opfern unserer Gesellschaft?“ Wenn Sie das auf dieser Ebene ernst nehmen, dann können Sie auch christliche Ansätze benennen.

Stellen Sie im Gespräch mit den Jugendlichen mal eine andere Perspektive daneben: „Unter Freunden wirst Du wahrgenommen und bewertet. Es gibt auch noch einen Blick, den Gott auf Dich wirft. Wie mag der aussehen?“ Zitieren Sie  Psalm 139: ‚Du bist wunderbar gemacht‘. Muss man sich dann noch selber inszenieren, wenn man doch weiß, dass man so wie man ist, völlig ok ist?
Ein anderer Weg mit den Jugendlichen zu sprechen, sind ihre Träume. Wenn ich mich auf eine bestimmte Weise selbst inszeniere, stelle ich den Traum dar, den ich von mir selbst habe. Ich kann nun versuchen zu analysieren, welche Träume die Show-Teilnehmer von sich wohl haben. Ich kann nach den eigenen Träumen suchen und versuchen, sie zu beschreiben. Und ich kann nach dem Traum fragen, den Gott von mir träumt. Wenn Sie auf dieser Ebene mit Jugendlichen reden, dann schauen sie Dschungelcamp und Co. auch ganz anders.

Was raten Sie den Eltern? Sollten Sie ihren Kindern Dschungelcamp verbieten?

Uwe Martini: Nein, das ist sinnlos. Wenn die Jugendlichen es sehen wollen, dann sehen sie es. Entweder bei der Freundin oder im Internetstream. Verbote sind kontraproduktiv. Im besten Fall sollten die Eltern es mitschauen. Man muss sich ja nicht gleich die ganze Staffel antun.. Die Eltern würden wahrscheinlich auch gar nicht ernst genommen.

Was muss sich in unserer Gesellschaft im Umgang mit Reality-TV ändern?

Uwe Martini: Generell fände ich es gut, Sendungen mit ethischen Maßstäben zu prüfen, bevor man sie ausstrahlt. Das ist meiner Ansicht nach das große Plus des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gegenüber den Privaten. Das wäre aus meiner Sicht der richtige Schritt.

Vielen Dank für das Gespräch!

[Wiebke Heß]

Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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