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Alternative Andachten

Gottesdienst: Retro statt digital

Peter BongardDer Vorgänger der heutigen Dorfsprechanlage – röhrenbetrieben und mit PlattenspielerDer Vorgänger der heutigen Dorfsprechanlage – röhrenbetrieben und mit Plattenspieler

Die Neunkirchener Pfarrerin nutzt im Rathaus eine Lautsprecheranlage aus dem letzten Jahrhundert, um ihren Gottesdienst zu den Menschen zu bringen.

Peter BongardPfarrerin Anja Jacobi predigt in Coronazeiten nicht nur in der Kirche, sondern auch vor dem Mikrofon im alten RathausPfarrerin Anja Jacobi predigt in Coronazeiten nicht nur in der Kirche, sondern auch vor dem Mikrofon im alten Rathaus

Seit einigen Wochen ist das alte Rathaus in Neunkirchen der wahrscheinlich ungewöhnlichste Gottesdienstort im Westerwald. Denn hier, in einem Raum im ersten Stock, schlägt das Herz der Neunkirchener Dorfsprechanlage: ein aus der Zeit gefallenes Relikt, das in der Corona-Krise einen zweiten Frühling erlebt. Mitte März hat die Bundesregierung gottesdienstliche Zusammenkünfte verboten. Aus der Not heraus haben viele Gemeinden Gottesdienste per Internet angeboten. Die Evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen geht einen anderen Weg: Seit den 1960er-Jahren sind im Ort rund 30 Lautsprecher montiert, über die vom alten Rathaus aus Durchsagen verkündet oder Musik gespielt werden kann.

Live-Gottesdienst aus dem alten Rathaus

Wenn die Leute also nicht in die Kirche kommen dürfen, kommt die Kirche eben zu ihnen, denken sich die evangelischen Christen und bitten Ortsbürgermeister Hartmut Schwarz, die Sprechanlage für kurze Gottesdienste zu nutzen. An Gründonnerstag schallte die erste Andacht von Pfarrerin Anja Jacobi durch die Straßen – live aus dem alten Rathaus Neunkirchen. „Sie beginnt immer mit Orgelmusik, die meine Tochter eingespielt und mit dem Handy aufgenommen hat. Dann merken die Leute: ,Hoppla, hier passiert was!‘, machen ihre Fenster auf und hören zu“, sagt Anja Jacobi. „Danach gibt es einen kurzen geistlichen Impuls; ich lese einen Psalm, spreche ein persönliches Gebet und schließe mit dem Vaterunser und dem Segen. Das Ganze dauert rund 15 Minuten und ist so gestaltet, dass man der Andacht auch dann noch folgen kann, wenn man mal ein paar Sätze nicht versteht.“

Kühlschrankgroße Anlage ist 60 Jahre alt

Doch die 60-jährige Dienstzeit ist nicht spurlos an der Dorfsprechanlage vorübergegangen.  Neulich wurden die ersten Minuten des Gottesdienstes nicht übertragen. Der alte, kühlschrankgroße Röhrenverstärker wurde inzwischen durch eine neues, kompakteres System ersetzt; ab und an muss einer der schmucklos-grauen Phillips-Lautsprecher ausgetauscht werden.

„Aber im Großen und Ganzen läuft die Anlage noch einwandfrei“, sagt Ortsbürgermeister Hartmut Schwarz, der sie schon seit seiner Jugend kennt. „Für die Leute, die hier wohnen, gehört sie zum Dorfleben dazu.“ Neben den Gottesdiensten komme die Anlage für Durchsagen bei Festen und für Vereine zum Einsatz – wenn auch seltener als früher, sagt Hartmut Schwarz. „Damals haben wir noch für jeden Bürger über 65 ein Geburtstagsständchen gespielt. Da klangen dann regelmäßig Klassiker in den Gassen. Natürlich noch von Schallplatte. Irgendwann wollten das die Leute aber nicht mehr.“

„Die Dorfanlage hat etwas Verbindendes“, meint Pfarrerin Anja Jacobi und möchte mit ihren altmodischen „Audiostreams“ vorerst weitermachen – auch wenn in Neuhäusel wieder Gottesdienste in der Kirche gefeiert werden dürfen. „Denn viele der Gottesdienstbesucher gehören zur Risikogruppe und werden noch nicht in die Kirche kommen.“

Ab sofort feiert die Evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen wieder reguläre Sonntagsgottesdienste in der Kirche. Die „Lautsprecherandachten“ gehen aber vorerst weiter: Sie starten sonntags um 19 Uhr und an jedem dritten Sonntag morgens um 9.30 Uhr.

Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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