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Schuld und Vergebung

Interview: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt

Petra Dirscherl/pixelio.deIn der Münchener Allianz-Arena spielt der FC Bayern München

Lange galt Uli Hoeneß für viele als Vorbildl, jetzt steht der Bayern-Präsident wegen Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe vor dem Gericht. Stadionpfarrer Eugen Eckert erklärt, warum der Fall von Hoeneß die Menschen so sehr bewegt.

privatEugen Eckert ist Pfarrer in der Frankfurter Commerzbank-Arena

Der Bayern-Präsident Ulrich Hoeneß hat Steuern hinterzogen. Dabei galt gerade er lange Zeit in der Öffentlichkeit als moralisches Vorbild. Im vergangenen Jahr hat er sich selbst angezeigt, heute beginnt der Prozess gegen den Präsidenten des FC Bayern München. In der Anklageschrift geht es um 3,5 Millionen hinterzogene Euro. Hoeneß gestand bereits beim Prozessauftakt, 18,5 Millionen Euro dem deutschen Finanzamt entzogen zu haben.

Eugen Eckert ist Stadionpfarrer in der Frankfurter Commerzbank-Arena und verfolgt schon seit Jahren den Werdegang von Hoeneß. Er erklärt, warum der Fall Hoeneß die Menschen so sehr bewegt.

Uli Hoeneß hat jahrelang Steuern hinterzogen. Mit einem Konto in der Schweiz spekulierte er an der Börse, machte Millionengewinne und meldete diese nicht dem deutschen Finanzamt. Jetzt muss er deswegen vor Gericht. Warum bewegt das die Öffentlichkeit so sehr? Es ist doch eigentlich ganz normal und wünschenswert, dass ein Straftäter vor Gericht landet.

Eugen Eckert: Der Fall bewegt die Öffentlichkeit, weil Uli Hoeneß seit vielen Jahrzehnten die Öffentlichkeit bewegt: Damals als Nationalspieler, dann als Sportinvalide - was ja auch ein hartes Schicksal war - und dann als Präsident eines der erfolgreichsten Clubs der ganzen Welt. Und nun bewegt er die Öffentlichkeit mit einem kriminellen Delikt. Es ist nicht nur diese Steuerhinterziehung, die die Menschen bewegt, sondern der Mensch Hoeneß als solcher.

Hoeneß half Gerd Müller, als dieser alkoholabhängig war und gab ihm mit einem Job auch eine neue Chance. Hat er selbst eine zweite Chance verdient, wenn er sie anderen immer gegeben hat?

Eckert: Generell vertrete ich, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat. Wir Theologen wissen von Luther her, dass wir immer zugleich Sünder als auch gute Menschen sind. Aber das darf das Gericht bei der Untersuchung der Höhe der Schuld nicht behindern. Auch das, was Uli Hoeneß an Gutem getan hat, kann ihn letztlich nicht als einen anderen vor dem Gesetz erscheinen lassen. Wenn man bedenkt, dass Menschen für kleine kriminelle Handlungen ins Gefängnis kommen, muss das Gericht auch entscheiden, was nun ein gerechtes Strafmaß ist. Zumal diese Entscheidung natürlich auch Vorbildcharakter für andere Fälle haben wird.

Hoeneß hat aber nicht nur Gutes getan, sondern beispielsweise den Abstieg von Christoph Daum mitverursacht, indem er dessen Kokainkonsum öffentlich gemacht hat. Wieso haftet ihm dennoch das Bild des Gutmenschen an?

Eckert: Es gibt zwei Gesichter von Uli Hoeneß. Es gibt das ganz aggressive, das andere-klein-machende Gesicht, und es gibt das des überaus gutmütigen Menschen. Wenn man es ganz hart sagen will: Dann ist er wie ein Despot, der an guten Tagen bereit ist, unglaublich Gutes zu tun,  an schlechten Tagen aber auch ganz bösartig werden kann, wenn ihn der Teufel reitet. Insofern ist er auch eine schillernde Figur, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. 

Gibt es vielleicht noch mehr Täter, die auch Gutes getan haben und straffällig geworden sind?

Eckert: Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch, der Böses tut, immer auch seine gute Seite hat. Insofern gehe ich auch davon aus, dass ein Mensch, der gegen das Gesetz verstößt, nicht einer ist, der generell als böser Mensch zu verurteilen ist. Wenn er aber in einer bestimmten Sache gegen das Gesetz verstoßen hat, muss er vor Gericht wie jeder andere behandelt werden. 

Wenn ich etwas Gutes tue, wirkt das Böse dann weniger stark? Wenn ich jetzt drei Omas über die Straße helfe und die vierte dabei ausraube, bin ich dann weniger schuldig? Was sagt die Bibel dazu?

Eckert: Es gibt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Da gehen ganz viele an einem Opfer vorbei, und erst einer, von dem man es nicht erwartet, hilft. In diesem Gleichnis wird nicht nach der ganzen Biographie des Helfers gefragt. Es wird nur beschrieben, dass er in genau dieser Situation das Richtige getan hat. Das aber bedeutet: Jede Situation für sich zu sehen. Drei Mal der Oma über die Straße zu helfen, ist sicherlich das Richtige. Aber es ist ganz klar ein Verstoß gegen das Gebot ‚Du sollst nicht stehlen‘, wenn ich die Vierte ausraube. Da helfen auch die drei guten Taten nicht.

Und es würde auch nicht strafmindernd wirken?

Eckert: Strafmindernd wirkt in Deutschland ohnehin ein komplettes Schuldeingeständnis. Wenn der Täter bereit ist, seinen Verstoß zu erkennen und auch zu bereuen. Bei Uli Hoeneß bin ich mir nicht so sicher, ob er wirklich bereut, was er getan hat. Das ist auch eines der Probleme im Hintergrund. Es gibt ja zumindest die Annahme, dass er nur aufgrund der Recherchen von Journalisten zur Selbstanzeige gebracht worden ist. Ob er wirklich bereut, muss sich zeigen.

Wie könnte er denn Reue zeigen?

Eckert: Zum einen ist er ja ein Mensch, der sehr emotional auftreten kann. Er könnte sehr klar seine Betroffenheit, seine Zerknirschtheit und sein Einsehen des Fehlers auch öffentlich darstellen. Das hat er meines Wissens nach noch nicht gemacht. Er hat zwar bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München von seinem Fehler gesprochen und war zu Tränen gerührt. Aber in der Öffentlichkeit hat er das meiner Meinung nach noch nicht getan. Er könnte sich klar und präzise äußern. Aber was immer eine Möglichkeit ist: Er könnte soziale Arbeit, karitative Werke mit einem bestimmten Betrag freiwillig unterstützen, also auch tätige Reue zu zeigen.

Sollte man ihm dann auch vergeben?

Eckert: Dem Menschen Uli Hoeneß sollte man vergeben, wenn er tatsächlich einsieht, was er getan hat. Wenn er bereut. Auf eine zweite Chance hat jeder Mensch Anspruch, und die setzt ja voraus, dass man vergibt. Vorauseilend zu vergeben würde ich aber für falsch halten.

In der ARD hat Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, für eine schärfere Verfolgung von Steuersündern plädiert, die Selbstanzeige soll an Bedeutung verlieren. Es müsse zudem deutlich riskanter werden, nicht steuerehrlich zu sein. Stimmen Sie dem zu?

Eckert: Steuern sind ja das Geld und das Vermögen der Gesellschaft. Wenn man sieht, in wie vielen europäischen Ländern die Gesellschaft krankt und Probleme hat, ihre gesellschaftlichen Systeme aufrecht zu erhalten, muss man als erstes hervorheben, dass das Geld, das als Steuern gezahlt wird, uns allen zum Wohle dient. Insofern kann man Wolfgang Huber an dieser Stelle nur zustimmen. Es muss sich ein völlig anderes Bewusstsein in unserer gesamten Gesellschaft entwickeln, dass Steuern unser gemeinsames Geld sind, das unserem gemeinsamen Wohlergehen dient. Und dann kann Steuerhinterziehung nicht mehr als Kavaliersdelikt gesehen werden, sondern als klarer Straftatbestand.

Gibt es denn etwas, das wir grundsätzlich aus dem Fall Hoeneß lernen können?

Eckert: Das Erste ist die Forderung danach, dass die Finanzbehörden besser ausgestattet werden, und dass überhaupt die Formen von Kontrolle verbessert werden. In weiten Teilen von Deutschland werden Betriebe nach zehn Jahren überprüft, in Bayern aber nur alle zwanzig Jahre. Es gibt also noch einmal eine eigene bayrische Gesetzlichkeit, innerhalb der sich Uli Hoeneß bewegt hat. Dass Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt empfunden wird, ist in weiten Kreisen leider offenbar immer noch gang und gäbe.

Vielen Dank für das Interview.

Gut:
Das heißt für mich -
frei und befreit von allem,
was ich aus Angst und Ärger tief
in mir vergraben habe.

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